Platz für Generationen

Artikel aus der Zeitschrift "4 Wände" Ausgabe IV/2008, von Katharina Winterhalter 

Dieses umgebaute Haus in Knetzgau ist ein Familienhaus. Lange war das Zusammenleben der Älteren und Jüngeren erprobt. Nun wurden einfach die Wohnungen getauscht. Und Opa Siegfried hat wieder kräftig mit angepackt.

In bäuerlichen Gegenden gibt es das heute noch: Wenn die Älteren den Hof an die nächste Generation abgeben, ziehen sie ins Leibgeding und die Jungen ins Haupthaus. Familie Schnös in Knetzgau hat das ähnlich gemacht, auch wenn sie nicht auf einem Bauernhof lebt, sondern in einem Bungalow aus den 70er Jahren. Von der typischen 70er-Jahre-Architektur ist freilich nichts mehr zu spüren. Das Haus hat mit seinem Umbau 2007 seinen Charakter völlig verändert - obwohl vieles erhalten blieb. Siegfried und Ursula Schnös hatten 1974 nach ihren Bedürfnissen und dem Geschmack der Zeit gebaut: einen eingeschossigen Bungalow in L-Form, mit einem Sattel- und nach Westen einem Walmdach, das über eine kleine Terrasse reichte. Im fast quadratischen Teil waren Bad, Elternschlaf- und Kinderzimmer, im "Längsbau" Küche, Ess- und Wohnzimmer. Dazwischen lagen Windfang und Diele.

Das Haus war ganz unterkellert und bot neben Heizung und Hobbyraum genug Platz für eine Einliegerwohnung, in der seit einigen Jahren Sohn Marco und Lebensgefährtin Beatrix wohnten. Als die beiden heirateten und Nachwuchs planten, wurde der Wohnungstausch geschlossen. Die "Jungen" hatten auch über einen Neubau nachgedacht, aber vieles sprach für einen Umbau: die Substanz des Bungalows war gut, die grundsätzliche Raumanordnung stimmte und das Zusammenleben unter einem Dach war längst erprobt. Während des Umbaus kam die dritte Generation zur Welt. Inzwischen ist Emil ein Jahr alt und wird von Oma und Opa umsorgt, wenn seine Eltern arbeiten gehen. Einen Architekten hatten die Bauherren schnell gefunden: Schwager Clemens Kremer, Architekt in Würzburg, dessen eigenes umgebautes Haus sie inspiriert hat.

"Wir haben eine ähnliche Vorstellung von guter Architektur", sagt Beatrix Schnös. Sie und ihr Mann wünschten sich einen offenen hellen Wohnbereich und genügend Platz für zwei Bäder, zwei Kinderzimmer und ein Büro. Die Großeltern von Emil sollten - auch das war sehr wichtig - in eine schöne helle Wohnung umziehen. "Als ich den alten Grundriss sah, war sofort klar, was zu tun ist", sagt Clemens Kremer: die Struktur der zwei Baukörper erstmals so herauszuarbeiten, dass sie von innen und außen als solche erkennbar sind, und die Diele als Schnittstelle zwischen privaten und offenen Räumen deutlicher kennzeichnen. Schnell wurde deutlich, dass der vorhandene Platz nicht ausreichen würde und es erschien logisch, einen der beiden Teile aufzustocken. Aus ästhetischer Sicht und wegen des Bebauungsplanes entschieden sich Architekt und Bauherren für den sogenannten Längsbau. Zweigeschossig mit Pultdach wirkt er nun wie ein eigenständiger, ganz zeitgemäßer Bau. Das "Quadrat" behielt sein altes Satteldach, das freilich gedämmt und neu gedeckt wurde. Die Diele dazwischen wurde auch aufgestockt, erhielt ein Flachdach, große Fenster und beherbergt die freie Treppe nach oben, die auf einem Steg mündet, der den Luftraum zum neuen Geschoss überbrückt. Dabei hat sich ein kleines Atrium ergeben, eine Loggia mit Zugang vom Badezimmer: ein blickgeschützter Raum im Freien, der sich geradezu anbietet für die Abkühlung nach einem Saunagang. Das können sich auch die Bauherren vorstellen und haben in der Nische im Badezimmer einen Anschluss legen lassen, in der jetzt noch die Wickelkommode steht.

Im Obergeschoss ist Platz genug für das großzügige Bad, das Elternschlafzimmer mit Ankleide und die offenen Galerie dazwischen, in der ein Sessel vor dem Bücherregal zum Lesen einlädt. Mittelpunkt des Hauses ist der große, helle Raum unten, in dem sich vieles abspielt: Kochen, essen, zusammen sitzen, mit Emil spielen und abends mal fernsehen. Die Einteilung ist wie früher, nur gibt es heute keine Wände mehr zwischen Küche, Esstisch, Wohnzimmer und Diele. Alles ist offen, durch die raumhohen Fenster nach Süden und Westen kommt viel Licht ins Haus und wird der Garten auch von innen erlebbar. Dort, wo die beiden Gebäudeteile aufeinandertreffen, liegt anstelle der kleinen überdachten Terrasse von einst eine große, mit Bohlen aus Bangkirai-Holz, umgeben von Bruchsteinen. Während im "Längsbau" alle Innenwände herauskamen (nur die Speisekammer neben der Küche ist abgetrennt), blieb die Raumanordnung im "Quadrat" erhalten. Um einen kleinen Flur sind Büro, zwei Kinderzimmer, Abstellkammer und Duschbad angeordnet. Die Türen sind die alten. Weiß gestrichen und mit neuen Beschlägen fügen sie sich gut in die moderne Inneneinrichtung mit ihren klaren Formen und Linien.

Auch das alte Eiche-Stabparkett war in so gutem Zustand, dass es nur abgeschliffen, geölt und da ersetzt werden musste, von früher Wände standen. Passend dazu wurden die Stufen der Treppe in Eiche gewählt. Die Reduzierung auf wenige Materialien ist ein wichtiges Gestaltungsprinzip in der modernen Architektur. Bei Familie Schnös kommt noch ein äußerst zurückhaltender Umgang mit Farbe dazu. Alle Wände sind weiß, die Fußböden entweder Holz oder großformatige Fliesen: in der offenen Küche aus hellem, leicht marmoriertem Feinsteinzeug, im unteren Bad das gleiche Material, aber dunkelgrau mit etwas helleren Wandfliesen. Für das obere Bad haben sich die Bauherren wärmere Farben ausgesucht: helle Sollnhofner Fliesen, die mit den dunkelbraunen Möbeln und der weißen Keramik harmonieren.
Eine ähnliche Farbkombination auch im Wohnzimmer: helles Sofa, Sideboards und niedrige Regale aus dunklem Holz, die Küchenelemente cremeweiß mit Arbeitsplatte in Holzoptik. Das Ganze mit einem Hauch grün in den satinierten Glasflächen von Oberschränken, Spritzschutz hinter dem Herd und zwei kleinen Deckenleuchten. Apropos: alle Beleuchtungskörper in diesem Raum sind Hingucker: in der Küche zwei Glühbirnen mit Bajonettverschluss auf einer kleinen runden Glasscheibe, eine große transparente Hängeleuchte über dem Esstisch und drei kleine, sehr elegante Wandleuchten, die so viel warmes Licht spenden, dass die Familie Schnös auf Deckenlampen verzichten kann.

Eine Ecke im Wohnzimmer ist reserviert für die Spielsachen von Emil, eine andere für den freistehenden Kaminofen, dessen Schwarz mit den kräftigen Stahlprofilen der Treppe und dem sichtbaren Stahlträger korrespondiert, der notwendig wurde, als die Wand zwischen Diele und Wohnzimmer herausgebrochen wurde. Die Treppe setzt einen dominanten Akzent im Raum, die Bauherren hatten sich bewusst gegen eine filigrane Ausführung entschieden. Ein witziges Detail ist die Kindersicherung: Estrichmatten aus dem Baumarkt, befestigt mit Kabelbindern, verhindern, dass Emil durch das Geländer purzelt.

Viel Licht gibt es aber nicht nur hier oben, sondern auch im ehemaligen Kellergeschoss, das heute eher Gartengeschoss ist. Vor dem Esszimmer und Wohnzimmer wurde so viel Erde abgegraben, dass eine große Terrasse entstand, auch umrandet mit den Bruchsteinen, die Großvater Siegfried von einem Erdaushub in einem Nachbarort organisierte. So hat jeder eine Freiplatz und ein Stück Garten quasi für sich. Die Wohnung hat dadurch einen behindertengerechten Zugang und ist mit rund 100 Quadratmetern durchaus großzügig.

Daneben bleibt Platz für den Technikraum, in dem die neue Heizung untergebracht ist. Marco Schnös wünschte sich ein langfristig kostensparendes und umweltfreundliches System und hat sich für eine Luft-Wärmepumpe mit Wandheizung im Erdgeschoss und Fußbodenheizung im ersten Stock entschieden.

Im Rahmen der Sanierung wurde das Haus komplett gedämmt und entspricht dem aktuellen technischen Standard. Anschlüsse für Solar- oder Photovoltaikanlagen sind gelegt. Vor etwa zwei Jahren begann der Umbau, nach elf Monaten war alles fertig. Viel Eigenleistung steckt in dem Mehr-Generationen-Haus. Einige handwerklich begabte Familienmitglieder halten mit, allen voran Opa Siegfried.

Der hatte vor 34 Jahren sein Haus mitgebaut, jetzt baute er es mit um: Mauern, Terrasse bauen, Böden verlegen, fliesen - kein Problem für den gelernten Maler und Verputzer. Derzeit wird der alte Carport in ein Häuschen für die Gartengeräte umfunktioniert, dann kommt ein Spielplatz für Emil und auch danach wird die Arbeit in Haus und Garten nicht ausgehen.

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