"Gewieftes Gehöft"

  • "Gewieftes Gehöft" Doppelseite 1
  • "Gewieftes Gehöft" Doppelseite 2
  • "Gewieftes Gehöft" Doppelseite 3

Artikel aus der Zeitschrift "4 Wände" Ausgabe 1/2016, von Silvia Eidel

Gewieftes Gehöft

Mit dem Umbau eines baufälligen Bauernhofes im Altort von Stadtlauringen haben sich Werner Then und Yvonne Then-Riegel ihren Lebenstraum erfüllt. Von SILVIA EIDEL

Rücksicht auf die historische Umgebung nehmen und dennoch modern bauen, geradlinig ein altes Haus verwandeln? Geht doch, wie der Umbau eines baufälligen Bauernhofes im Altort von Stadtlauringen beweist. Die Devise: Weniger ist mehr, weniger Gebäude, mehr Raum und Licht. Mehr Platz zu haben war der Wunsch der jungen Bauherrenfamilie mit zwei Kindern. In Erfüllung ging er, weil das Ehepaar Werner Then und Yvonne Then-Riegel ein stark sanierungsbedürftiges Gehöft im Ortskern von Stadtlauringen kaufte und sich dort mit gewaltiger Eigenleistung seinen Wohn- und Lebenstraum verwirklichte. Abreißen und wegnehmen stand ganz am Anfang der Überlegungen ihres Architekten Clemens Kremer. „Das Grundstück war fast vollständig bebaut", denkt der Planer zurück. Das Haupthaus an der Straße bestand aus zwei nebeneinanderstehenden Wohngebäuden, die viel mehr Raum boten als benötigt. Mit den Nebengebäuden und der Scheune war der Freiraum nur auf einen kleinen Hof reduziert.

Platz schaffen, war daher angesagt. Deshalb wurden zuerst ein Teil des Haupthauses und ein Stall an der Westseite des Hofes abgerissen. Dann stand die Entkernung des geklinkerten Wohngebäudes des aus der Zeit um 1900 an. „Wir haben auch einen Meter Boden im Erdgeschoss abgegraben", erzählt Werner Then. Die künftigen Wohnräume wurden dadurch höher und luftiger „Die Frage war, wie man mit der alten Substanz umgehen sollte, ob man sie sichtbar machen sollte", gibt der Planer den Wunsch der Bauherren nach einer Verbindung von Alt und-Neu wieder. Die alten Balken freizulegen, war nicht möglich. Sie wurden aus statischen Gründen aufgedoppelt. Eine früher durch das Wohnhaus führende Durchfahrt von der Straße in den Wirtschaftshof wurde geschlossen. Den Hauseingang, ursprünglich an der Straße gelegen, verlegte der Planer an die Westseite, zum Innenhof. Aus Rücksicht auf den historischen Ortskern gibt die Gestaltungssatzung der Gemeinde vor, dass die südliche Fassade zur Straße hin die bestehenden Fensteröffnungen im Wesentlichen beibehalten muss, erklärt Architekt Kremer. Also wurde die Reihe der nicht allzu großen Fenster im Erdgeschoss ergänzt und die im ersten Stock erhalten Das Satteldach blieb mit 38 Grad gleich steil, ohne Dachaufbauten und wirkt nach außen ruhig und geschlossen.

Um dennoch viel natürliches Licht ins Haus zu holen und helle Raume zu ermöglichen, wurde an der westlichen Giebelseite des Gebäudes, zum Hof hin, ein zweigeschossiger Luftraum mit vier jeweils bodentiefen Fenstern geschaffen. Da fällt die Sonne mittags und abends bis in die Tiefe des großen Küchen-Essbereiches ein. Dieser erstreckt sich über die ganze Breite des Hauses. Nach hinten, zum Hof mit der Allzweck-scheune und zur Terrasse, lassen vier raumhohe Glastüren ebenfalls viel Helligkeit ins Innere. Hinter der ehemaligen Durchfahrt des Hauses verbirgt sich heute der Eingangsbereich mit Gäste-WC und Familien-Garderobe. Beide Räume sind mit platzsparenden Milchglas-Schiebetüren versehen. Dahinter wiederum liegt das lichte Wohnzimmer mit dem zweigeschossigen Luftraum. Ein kleiner, eingeschossiger Flachdach-Glasanbau verlängert den Wohnraum noch in den hinterliegenden Hof hinein. Wer durch den modernen Flur und die raumhohe Glas-Schiebetür den 54 Quadratmeter großen Küchen-Essraum betritt, wird durch dessen großzügige Wirkung beeindruckt. Weiße Küchenmöbel und eine Kochinsel mit schwarzer Granitarbeitsfläche ziehen die Blicke auf sich. „Der Stein ist dankbar, man sieht nicht jeden Fleck", lacht die Hausherrin und Mutter zweier Kinder. Aus einem Schwedenofen an der Ostwand des Essraumes leuchtet Kaminfeuer entgegen. „Für die Übergangszeit", erklärt Werner Then.

Ansonsten sorgt eine Fußbodenheizung für Wärme, mit einem besonderen Hintergrund: einer Wasser-Wasser-Wärmepumpe mit zwei Brunnen und einer kontrollierten Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung. „Hier gibt es keinen Keller wegen des hohen Grundwassers", erklärt der Bauherr. Was ihn verleitete, über eine wassergestützte Heizung nachzudenken. Ein Geber- und ein Schluckbrunnen wurden gebohrt. „Mit 14 Grad kommt das Wasser aus der Erde heraus, mit zwölf Grad wieder hinein", so Then. Die Wärmeabgabe reicht für das ganze Haus. Vom großen Küchen-Essraum gelangt man durch zwei raumhohe Durchgänge, über die eine freie Treppe ins Obergeschoss führt, in das Wohnzimmer. Über die doppelte Raumhöhe hebt es sich eindrucksvoll im offenen Luftraum in die Höhe. Über den hinteren Teil des Raumes ist im Obergeschoss eine Arbeitsgalerie für die Hausherrin angeordnet, ein spezieller Wunsch der jungen Bauherrin.

Hierher zur Galerie hinauf führt vom Essbereich aus eine kreative, offene Stahl-Holz-Treppe. Kleine LED-Lichter im Stahl strahlen auf die Eichen-Tritte und sorgen für den besonderen Pfiff des Bauwerks. Am Wohnzimmer-Luftraum umgibt eine Glas-Brüstung die offene Arbeitsgalerie sowie den Flur im Obergeschoss, der zum Elternschlafzimmer, den beiden Kinderzimmern sowie dem Familienbadezimmer führt. Geschickt sind begehbare Dusche, Badewanne und Waschbecken angeordnet.

Modisches Grau und Weiß bestimmen den Raum, eine indirekte Beleuchtung sorgt für witzige Farbeffekte. Weil dem alt-neuen Haus ein Keller fehlt, ist die Technik für, die Heizung in der 230 Quadratmeter großen Scheune hinter dem Haus untergebracht. Dort hat die Hausherrin zudem einen beheizten Wäscheraum. Dort ist auch Platz für die Werkstatt des bastel- und tüfteleifrigen Bauherrn, dort ist Lager und Autogarage. Nicht über den grün gestalteten Hof-Garten am Haus erfolgt die Zufahrt zur Scheune, sondern von der rückwärtigen Grundstücksseite her.

Die Sandstein-Scheune hat das Ehepaar erst einmal entrümpelt und Zug um Zug selbst wieder in Stand gesetzt. Gewonnen hat es dabei jede Menge Platz. Platz, den es bei einem Neubau in einen Baugebiet nicht gewonnen hätte. „Ich bin im Altort aufgewachsen, ich schätze das“, sagt Yvonne Then-Riegel. Neugierige Blicke von der Straße in den Garten-Hof verwehrt ein modernes Hoftor, das von Sandsteinmauern links und rechts gehalten wird. Die Westseite des Hofes wird vom Mauerrest des alten Nebengebäudes begrenzt, hell verputzt wie das Wohnhaus. Eine alte Klinkermauer, hier stand früher der Hühnerstall, begrenzt hinter dem Wohnhaus die Ostseite des Hofes und lädt auf der davor liegenden Terrasse zum kühlen Verweilen im Sommer ein. Von einem zweiten Sitzplatz vor dem großen Scheunentor aus blickt man auf das Haus und den begrünten Hof, origineller Findlingsbrunnen inklusive.

„Den Stein habe ich selbst aufgestellt“, erzählt der Bauherr. Wie so vieles, das die Bauleute selbst und mit der Familie und Freunden bewerkstelligten. Gerade der Abriss und die Entsorgung der alten Bauteile seien teuer gewesen, blickt das Ehepaar zurück. Aber öffentliche Fördermittel und die städtebauliche Sanierungssatzung der Gemeinde hätten hier finanziell unterstützt. Und jetzt wohnen sie mittendrin im Ort, zentral und doch ruhig, grün und modern. Das Wagnis hat sich gelohnt.