"Aus eins mach zwei"

  • "Aus eins mach zwei"
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Artikel aus der Zeitschrift "4 Wände" Ausgabe 4/2013, von Sandra Häuslein 

Ein konventionelles Haus kam für die sechsköpfige Familie nicht infrage - zu wenig Platz. Architekt Clemens Kremer stellte kurzerhand zwei Häuser auf das Grundstück in Würzburg.

 

Wie haben jetzt je ein Kinder- und ein Erwachsenenhaus", schmunzelt die Bauherrin. Neben dem geforderten Raumprogramm von ca. 200 Quadratmetern entspricht der Entwurf auch den Vorgaben des Bebauungsplanes und schafft - durch die winkelförmige Anordnung der beiden Baukörper - einen blickgeschützten Aufenthaltsbereich im Garten. Ein ähnliches Gebäudekonzept kannten die Bauherren vom Bau der Schwester im gleichen Ort. Architekt  war auch hier Clemens Kremer. Daher hatten die Bauherren von vorn herein die Gewissheit, das Konzept funktioniert, den Architekten kann man beauftragen. "Um meine Architektenehre zu retten und nicht einfach den gleichen Entwurf zu wiederholen, bot ich den Bauherren fünf weitere Vorschläge an. Damit konnten sie auch überprüfen, ob der Wunschentwurf tatsächlich den eigenen Ansprüchen genügt", so Kremer.

 

Die Entscheidung hat sich bewährt. Die Ausrichtung und die Größe des Grundstückes boten optimale Voraussetzungen für den Entwurf. Der Garten erstreckt sich nach Südwesten, im Osten wird das Grundstück durch die geschlossene, zurückhaltende Straßenansicht begrenzt. Beide Baukörper haben ein Satteldach und sind durch einen rechteckigen Kubus miteinander verbunden. Mit Flachdach und unauffälliger Farbgestaltung nimmt sich der Zwischenriegel selbst zurück und die beiden Baukörper sind sowohl als einzelne Elemente, aber auch im Zusammenspiel erlebbar. Wie in vielen Neubaugebieten gaben auch hier die planungsrechtlichen Festsetzungen eine eingeschossige Bauweise mit Satteldach vor. "Ursprünglich wollte man mit diesen Vorgaben den typisch fränkischen Siedlungsbau stärken. Doch bei einem Platzbedarf von 200 Quadratmetern führen diese Vorgaben oft zu proportional nicht zufriedenstellenden Gebäudevolumen. Ein extrem breites und langes Gebäude führt geometrisch bedingt zu sehr hohen Dächern und großen Dachflächen. Auf zwei einzelne Gebäude konnten wir die Flächen besser verteilen. Die beiden kleineren Dächer fügen sich so harmonischer in die umgebende Bebauung ein", erklärt Kremer. Die Zwei-Häuser-Variante brachte noch einen weiteren Vorteil mit sich: Es wurde nur eines der beiden Häuser unterkellert. Für Technik-, Heiz- und Nebenräume ist diese Fläche ausreichend. Diese kostengünstigere Teilunterkellerung konnte mittels der beiden einzelnen Baukörper problemlos ausgeführt werden.

 

Das Elternhaus steht giebelseitig zur Straße und erstreckt sich als langer, schmaler Gebäudekomplex Richtung Westen. So ist es möglich, große Öffnungen zur Südseite Richtung Garten zu orientieren. Das darüber liegende Dachgeschoss erstreckt sich über Küche, Bad und Elternschlafzimmer. Der Wohn- und Essbereich ist bis in den Giebel offen. Den zweigeschossigen Gebäudekomplex trennte Architekt Kremer im Innenbereich mit einer Schattenfuge optisch von den Außenwänden ab. So entstand eine Art Haus im Haus.

 

Das Kinderhaus ist traufseitig zur Straße angeordnet und hat nahezu einen quadratischen Grundriss. Die insgesamt viel Kinderzimmer - je zwei im Erd- und Dachgeschoss - richten sich zur Gartenseite. Nebenräume wie Hauswirtschaftsraum, Treppenaufgang und Badezimmer sind zur Straße angeordnet. Ein KfZ-Stellplatz an der Nachbargrenze im Norden und ein Carport mit Fahrradschuppen an der südlichen Nachbargrenze bilden mit den Gebäuden zusammen ein bauliches Band, das den privaten Garten von der öffentlichen Straße trennt.

 

"In unserer Vorplanungsphase haben wir auch viele Musterhäuser angeguckt. Aber es war einfach nichts Passendes dabei. Und uns war schnell klar, dass ein Haus für jeden persönlich entstehen muss", sagt der Bauherr. So wurde auch die Innenraumplanung auf die Wünsche und Bedürfnisse der Bauherren abgestimmt. Ein besonderes Merkmal im Wohnbereich ist das große Sitzfenster. Eine Übereckverglasung lässt Sichtbeziehungen zur West- und Südseite des Gartens zu. Eine breite Fensterbank mit großen Kissen macht das Fenster zum Lieblingsplatz der ganzen Familie. "Der Platz ist eigentlich immer besetzt", bestätigt die Bauherrin. Generell ist der Wohnbereich an der Südwestseite des langen, schmalen Elternhauses der Mittelpunkt der Familie.

 

Hier ersetzt das Klavier den Fernseher und ein großer Esstisch dient als zentraler Versammlungspunkt. Um möglichst viel Abendsonne in den Raum zu bekommen, setzte Kremer ein Fenster unter den Giebel, möglichst hoch. Richtung Straßenseite reihen sich die Küche, die mit großen Schiebeelementen zum Wohnbereich öffenbar ist, das Elternbad, Treppenraum und Elternschlafzimmer; alle Räume erschlossen durch einen langen Flur, der geradlinig in den Wohnbereich führt. Die Küche ist vom Flur durch eine halbhohe Mauer getrennt. Neben einem offenen Charakter erhält sie so zusätzlich Helligkeit durch die südlich ausgerichteten Flurfenster. Im Spitzboden sind ein Arbeits- und ein Gästezimmer untergebracht. Der Treppenraum kann im Erdgeschoss mit einem Schiebeelement zum restlichen Wohn- und Kinderbereich abgetrennt werden. Dabei bilden das Elternbad, Schlafzimmer und die beiden Räume im Dachgeschoss eine Einheit. "Eine geschlossene Schiebetür ist ein Signal: Eltern brauchen Ruhe oder Mama arbeitet", erklären die Bauherren. Um dennoch vom Arbeitszimmer einen Bezug zum Wohnraum zu schaffen, wurde die Wand mit einem Fenster zum Luftraum geöffnet. Das Arbeitszimmer ist so räumlich strikt von den restlichen Räumen getrennt, dennoch bilden sie im Gesamteindruck eine Einheit. Die Idee stammte von der Bauherrin am Tag des Richtfestes - hier könne man eigentlich noch ein Fenster einbauen. Dem Architekten gefiel die Idee und so legte er los. Die Öffnung bildet nun ein ideales Pendant zum gegenüberliegenden hohen Giebelfenster des Wohnbereiches.

 

Der Wohnbereich ist mit einem massiven Holzboden ausgestattet. In den übrigen Aufenthaltsräumen wurde Fertigparkett verlegt. Bäder und  Windfang erhielten einen dunkelgrauen Boden aus Feinsteinzeug. Wände sind ausschließlich im Farbton Weiß gehalten. Dunkelgraue Fensterrahmen und ebenfalls graue Stahleckzargen an den Türen geben dem Innenraum einen grafischen und modernen Charakter. Der einzige Farbklecks im Innenraum sowie an der Fassade ist eine grüne Scheibe, die vor das bodentiefe Schlafzimmerfenster geblendet wurde. Sie dient als Sichtschutz und hat vor allem Wiedererkennungswert. "Wir wohnen in dem Haus mit der grünen Glasscheibe", lacht die Bauherrin.