"Alles unter einem Dach"

  • Alles unter einem Dach
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Artikel aus der Zeitschrift "4 Wände" Ausgabe I/2011, von Sabine Dähn-Siegel 
 

 

Kleines Grundstück, kostengünstige Bauweise. Diese Anforderungen sind die größten Herausforderungen für einen Architekten. Auf des Suche nach dem passenden Domizil gelang einem Ehepaar aus Schweinfurt ein Haus der kurzen Wege. Und individuelle Wünsche wurden auch noch wahr.
  
Ein freistehendes Einfamilienhaus sollte es sein, stadtnah gelegen, mit guter Anbindung an die Autobahn. Innerhalb eines neuen, ökologischen Baugebiets ließ sich die junge Kleinfamilie das passende und „letzte von privat erhältliche Grundstück mit ordentlicher Süd-West-Ausrichtung“ reservieren und begann dann ihre Suche nach Schlüsselfertig-Anbietern. „Aber wenn wir ihnen den Lageplan vorlegten und unsere Vorstellungen schilderten, dann habe sie ganz schnell abgewunken und viele unserer Ideen als „nicht umsetzbar“ bezeichnet.“ Einerseits hätten die Offerten der Bauträger die Vorgaben zu wenig berücksichtigt, andererseits habe ihr äußeres Erscheinungsbild seiner eher modernen Architekturauffassung nicht entsprochen, erinnert sich der Bauherr an eine frustrierende Phase. Die endete, als er Clemens Kremer mit einer Entwurfserstellung beauftragte. Aufgrund der Vorgaben des Bebauungsplans (mit den regional üblichen Bestimmungen bezüglich Geschossigkeit, Satteldach, Firstausrichtung), des mit 520 m² relativ kleinen Grundstücks sowie dem Wunsch nach kostengünstiger Bauweise war der Spielraum des Würzburger Architekten für den grundsätzlichen Gebäudeentwurf nicht sehr groß, die Liste der Vorgaben des Bauherren dafür lang. Sie umfasste unter anderem: kein Keller, schlichte Bauform und moderne Erscheinung, ca. 150 m² Wohnfläche, Wiederverwendung der vorhandenen Einbauküche, Innentreppe nicht im Wohnbereich, eine hohe Wand als Bildergalerie, Schlafzimmer mit Aussicht in die Landschaft und extra Ankleide, witterungsgeschützter Zugang von Garage zum Wohnhaus. Einschließlich der Orientierung des Baukörpers nach Süden und Westen und der Lage einer möglichen Garage als Grenzbebauung summierten sich diese Kriterien, die es zu berücksichtigen galt und die Kremer in grundsätzlich unterschiedliche Vorentwürfe packte. Anhand derer kam dann nach fast sechs Wochen intensiver Beratungen schließlich ein Plan zustande, der stimmige Formensprache, hohe Bau- und Wohnqualität zusammenbrachte. Mit der Umsetzung des Projekts betrauten die Bauherren Frank Schneider von VFS Immobilien als Baumanager. Er optimierte das Bauvorhaben auch hinsichtlich Energieeffizienz, so dass das Haus den KfW-Förderkriterien entspricht.
 
Das Gebäude nutzt die rechtlich zulässigen Abstandsflächen zur nördlichen Grundstücksgrenze ebenso aus wie die Baugrenzer zur östlichen Erschließungsstraße hin, so dass nach Süden und Westen ein größtmöglicher Gartenanteil verbleibt. Ein wesentliches Merkmal des kompakten, klar konstruierten Einfamilienhauses ist die in den Baukörper einbezogenen Doppelgarage. „Dadurch konnten wir optisch unschöne Verschneidungen vermeiden, wie sie ansonsten durch die vorgegebene Lage der Garage als Grenzbebauung zustande gekommen wären“ erläutert Kremer. Zum klaren Erscheinungsbild des Neubaus trägt bei, dass auf Gauben, Zwerchgiebel oder andere Dachaufbauten ebenso verzichtet wurde wie auf Dachüberstände – nur die Dachrinne hängt vor. Ein charakteristischer Teil der äußeren Gebäudeerscheinung ist die grafische Behandlung der einzelnen Fassadenflächen: An den Giebelseiten wurden die einzelnen Fenster der sogenannten Lochfassade durch Holzfurniertafeln zu Fassadenbändern zusammengefasst. Anthrazitgraue Rollläden, Fensterrahmen und das Garagentor kontrastieren mit der weiß verputzten Fassade. Die Gebäudeecken werden durch ein farbliches und flächiges Absetzen vom Gesamtbaukörper als „Schichten“ innerhalb des Gesamtvolumens behandelt. Auf diese Weise entstehen optische Reize, die das Gebäude trotz seiner schlichten Form nicht langweilig wirken lassen. Bei der Wahl der Dachneigung in Verbindung mit der Kniestockhöhe wurde Wert auf größtmögliche Kopffreiheit in beiden Dachgeschossen gelegt, um eine maximale Nutzfläche zu erreichen. Durch den zurückversetzten, somit geschützt liegenden Eingang an der Ostseite betritt man eine langen und hohen, bis unters Dach offenen Eingangsbereich. Linker Hand vor der einläufigen Lofttreppe mit Edelstahlgeländer zum Obergeschoss geht´s zur kleinen Garderobe, ihr gegenüber zum Gäste-WC. Am Ende des Ganges nehmen zwei Stufen den natürlichen Geländeverlauf auf und führen hinunter zum multifunktionalen Familienraum, wo Kochen, Essen und Wohnen nahtlos ineinander übergehen. Der galerieartige offene Flur, die überdurchschnittliche Raumhöhe von knapp drei Meter, großformatige Fliesen (0,60 mal 1,20 m) samt putzbündigen Sockeln und das Tageslicht, das von drei Seiten hineinströmt, verleihen dem Raum eine angenehme Weite. Vom Küchen- wie vom Wohnbereich führt eine Türe auf die teilüberdachte Terrasse an der Südwestseite.
 
Was die dreiköpfige Familie besonders schätzt, sind die kurzen Wege: von der Küche über den Abstellraum zur Garage oder von der Garage über die Garderobe in den Flur. „Wir kommen immer trocken vom Auto ins Haus, können unseren Einkauf schnell ausräumen, müssen keine Getränkekästen in den Keller schleppen.! Gummistiefel- und Schuhparade neben der Eingangstüre gibt´s hier nicht, denn nasses Schuhwerk bleibt einfach in der Garage stehen. Das Praktische an ihr: Der Boden ist gepflastert und die Fugen wasserdurchlässig. „Selbst Eis und Schnee auf dem Auto machen nix. Wenn´s taut, bleiben keine Pfützen stehen“, zeigen sich die Bauherren begeistert von dem tollen Tipp des Baumanagers.
 
Etwa ein Drittel der 140 m² überbauten Fläche im Erdgeschoss werden für die Doppelgarage und den Technikraum benötigt. Dieser wurde aus Komfortgründen schalltechnisch vom Haus entkoppelt und ist nur von der Garage aus betretbar. „Wir haben darauf geachtet, energieeffizient zu bauen und nicht von mehreren Energieträgern abhängig zu sein“, so der Bauherr. Die Kosten für Warmwasser und (Fußboden-)Heizung werden, basierend auf Erfahrung aus bereits realisierten Projekten nach Aussage des Baumanagers bei circa 1000 Euro im Jahr liegen. Erreicht wird das mit einem Allround-Talent für Lüftung, Heizung und Warmwasserbereitung, einer Luftwärmepumpe mit kontrollierter Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung. Später lassen sich eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und ein Windrad im Garten nachrüsten, „dann wären wir, was die Energieversorgung betrifft, autark“. Vorbehalte gegen die kontrollierte Wohnraumlüftung kann das Ehepaar nicht nachvollziehen. Alle Räume werden kontinuierlich mit Frischluft versorgt. Die Anlage sorgt für gesundes Wohnraumklima, spart Energie und vermeidet Schimmelpilz. Sie übernimmt den Abtransport der verbrauchten Luft aus Küche, Bad und WC, die Versorgung der Wohnung mit frischer, erwärmter Zuluft, und gewinnt die Energie aus der Abluft zu mehr als 90 Prozent zurück. Wird zusätzliche Energie benötigt, gewinnt das Gerät diese aus der Außenluft. Ein integrierter Warmwasserspeicher mit 200 Litern Inhalt hält stets warmes Wasser bereit, um den Bedarf zu decken. Die Bodenplatte des Hauses wurde zum Erdreich hin mit Glasschaumschotter isoliert, die Fenster sind dreifach verglast. Alle Garagentüren und die Eingangstüre weisen einen überdurchschnittlich guten Wärmedämmwert auf. Des Rätsels Lösung: „Es sind Kühlraumtüren aus Edelstahl“, erzählt Frank Schneider. Den Eingang schließt eine individualisierte Isoliertür eines regionalen Herstellers. Selbst der Fachmann, der den Blower-Door-Test vorgenommen hat, sei begeistert gewesen.
 
Rund 200 m² Wohnfläche bietet das Einfamilienhaus insgesamt. Im Obergeschoss verteilt sie sich auf Kinder-, Eltern- (mit Ankleide), Gäste/Arbeitszimmer (mit Dachliegefenster), Hauswirtschaftsraum und Bad. Angesichts der schrägen Wände und der Anordnung des Fensters fand der Architekt einen guten Platz für die Dusche: unter der Faltwerktreppe, die zum Spitzboden führt. Materialvielfalt wurde konsequent vermieden, daher schmückt das Bad die gleiche Feinsteinzeugfliese wie im Erdgeschoss. Für die übrigen Zimmer und für die Treppenstufen wurde hochwertiges Eiche-Laminat verwendet. Trockenbauweise im Obergeschoss sichert hohe Flexibilität für spätere Umgestaltungen. Hinter dem schmalen Arbeitszimmer im Spitzboden liegt die Platzreserve. Die Fenster an den Giebelseiten sind wegen der Rollos etwas tiefer gesetzt und, wie die etwas tieferen gezogenen Fenster in der Etage darunter, mit Edelstahlrohren als Absturzsicherung versehen.
 

 Bezüglich Platzangebot und Kosten mag das Heim der Familie mit Standardhäusern vergleichbar sein, „aber die individuellen Lösungen haben für uns einen Mehrwert, der mit einem klassischen Bauträgermodell nie erreichbar gewesen wäre“, urteilen die Häuslebauer zufrieden.