"Tradition trifft Moderne"

Artikel aus der Zeitschrift "4 Wände" Ausgabe 3/2019, von Sabine Dähn-Siegel

Tradition trifft Moderne

 

Oft sind es die kleinen Details, die aus einem alltäglichen Objekt etwas Besonderes machen. Wie bei diesem Einfamilienhaus in Würzburg.

 

Das Haus mit Satteldach gehört auch heute noch zu den Klassikern im Bereich Neubau. Trotz der großen         Ähnlichkeiten wirft man auf manche Objekte einen zweiten Blick. Beispielsweise auf das einer Bauherrenfamilie in einem Würzburger Stadtteil. Nach Prüfen von  diversen Angeboten von Fertighaus- und Generalunternehmen hat sie ihr Heim mit dem Würzburger Architekten Clemens Kremer realisiert. Seine Arbeit kannte sie aufgrund seiner Tätigkeit in ihrem Bekanntenkreis.             

Für den Bau stand den beiden damaligen Enddreißigern ein über 600 Quadratmeter großer, ebener Bauplatz auf dem von einer gepflegten Hecke eingefriedeten Grundstück des elterlichen Mehrfamilienhauses zur Verfügung. Der Bebauungsplan von 1984 enthielt die damals üblichen Bestimmungen bezüglich Geschossigkeit (Erd- und Dachgeschoss) und Dachform (Satteldach 38 bis 52 Gad). Wichtig war den Bauherren zum einen, den nördlich an ihren Bauplatz angrenzenden elterlichen Garten sowie die elterliche Aussicht so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Da die Erschließungsstraße - leider - auf der westlichen Seite des Grundstücks und damit auf der bevorzugten –Gartenausrichtung (Sonne) liegt, sollte zum anderen der bestehende grüne Sichtschutz weitgehend erhalten und, wie sich später herauskristallisierte, durch einen noch zu realisierenden Carport/Geräte- und Fahrradschuppen ergänzt werden. „Die Vorgaben des Bebauungsplans sowie der Wunsch nach einem eher niedrigen Gebäude führten zur umgesetzten eingeschossigen Bauweise mit niedrigem Kniestock", berichtet Architekt Kremer.

Er hatte im Rahmen der Vorentwurfsplanung sechs grundsätzliche Baukörperausbildungen mit einem Raumprogramm entwickelt, das den üblichen Bedürfnissen einer vierköpfigen Familie entspricht. Dazu zählen im Erdgeschoss neben Küche, Wohn- und Essbereich ein durch die Diele vom „Familien-Part" des Hauses getrenntes und damit wunschgemäß relativ unabhängig von den restlichen Räumen nutzbares Arbeitszimmer und ein Hauswirtschaftsraum. Größe und Proportion des derzeitigen Büros lassen eine spätere Umnutzung zum Schlafzimmer zu. Für den Fall eingeschränkter Mobilität im Alter wäre somit Wohnen auf einer Ebene denkbar, zumal aus diesen Überlegungen heraus auch das angrenzende Gäste-WC/Bad im Erdgeschoss mit einer Dusche ausgestattet ist. Ein weiteres Detail der vorausschauenden Planung spiegelt der Hauswirtschaftsraum mit direktem Zugang ins Freie in der Nord-Ost-Ecke. „Der Raum  und seine Platzierung haben sich im Alltag bestens bewährt“, bestätigt die Hausherrin und Mutter zweier Kinder.

Familienleben findet im Wohn-Ess-Bereich statt, der nach Süden und Westen angeordnet und mit Sitzfenster – laut Architekt ein „oft gewünschtes Element“ – und Ofen ausgestattet ist. Entlang der Westseite des Erdgeschosses schafft ein Gebäuderücksprung einen überdeckten Terrassenbereich und sorgt für Verschattung des großflächigen Glasanteils. Im Wohnbereich an der Ostseite befindet sich ein weiteres Fenster, hier aber hoch angeordnet, flach und feststehend. Die Küche wünschten die Bauherren optisch getrennt vom Wohn-Ess-Bereich. Kochen und Spülen könnte daher also hinter verschlossener Tür stattfinden, „aber die große Schiebetüre steht fast immer offen“ – nicht nur wegen der (Kommunikations-)Nähe zum Essplatz, auch weil so der Blick in den westlichen Garten frei bleibt. Sehr praktisch sind der kleine Essplatz in der Küche „und der direkte Ausgang auf die Frühstücksterrasse an der Ostseite. Die Idee dazu stammt von unserem Architekten. Gerade wenn es sehr heiß und sonnig ist, ziehen wir uns im Sommer gerne darauf zurück“.

Die Diele ist so proportioniert, dass sich die Familienmitglieder dort bequem ausgehfertig machen können, ihre Garderobe verschwindet in einem Einbauschrank. An den Eingangsbereich schließt sich die zweiläufige Podesttreppe an, die ins Dachgeschoss und in den Keller führt. Zwei feststehende Fenster und ein Dachliegefenster sowie die offene Stufenausbildung lassen Tageslicht in Flur und Treppenhaus einfallen und ermöglichen eine durchgehende Blickachse auf die östlich an das Grundstück angrenzende unbebaute Wiese.

Dachgeschoss mit Kniestock bedeutet im vorliegenden Fall: zwei gleichgroße, mit türhohen Fenstern gen Süden versehene Kinderzimmer. Die nichttagende Trockenbauwand zwischen ihnen kann bei Bedarf ohne großen Aufwand entfernt werden. Auf der gegenüberliegenden Giebelseite haben die Eltern ihren Bereich: Schlafen und Ankleide. Ein eigenes „Elternbad" stand nicht auf der Wunschliste des Paares. Eher ungewöhnlich, aber durchaus alltagstauglich ist die Trennung der Sanitärfunktionen: Es gibt ein separates WC sowie ein Bad mit Dusche und Wanne. Zwecks besserer Raumausnutzung liegt das Bad innerhalb einer Gaube, die in der Außenansicht des Hauses einen echten Eyecatcher bildet. Die Fenster in der Gaube wurden so hoch platziert, dass keine Einblicke möglich sind..

Dachgeschoss bedeutet auch: Die Decke ist bis unter den First offen. Zwar gibt es keinen Dachboden, allerdings lassen sich Teile der Abseitenwand als (zusätzlicher) Stauraum nutzen. Und schließlich gibt es ja noch das auch über eine zusätzliche Außentreppe vollunterkellerte Untergeschoss: mit Lager- und Technikräumen sowie einem mit natürlichem Licht beleuchteten Hobbyraum. „Ebenfalls eine tolle Idee vom Architekten“, kommentieren die Bauherren, die beim Hausrundgang auf weitere Details verweisen. In Summe erzielen diese Besonderheiten innen wie außen- Verzicht auf Dachüberstände, kubische Ausformung der Gaube mit Flachdach, wandbündige Dachrinne ohne Überstand, unsichtbare Verschattung mit Außenraffstores, bündig eingelassene Schiebetür zum Wohnbereich, putzbündige Fliesensockel, fast unsichtbare Stahleckzargen der Innentüren - das moderne, individuelle Erscheinungsbild des Gebäudes. Trotz der traditionellen Bauform.